Tour de France - Teil 6: Die Bretagne

Tour de France - Teil 6: Die Bretagne

Bestimmt kann man in der Bretagne auch hübsch durchs Landesinnere mit dem Motorrad gondeln, aber grandioser ist die zerklüftete, vom Atlantik umtoste Küste mit ihren markanten Kaps, Leuchttürmen und Häfen.

Die Bretagne ist die nordwestlichste Region Frankreichs und eine hügelige Halbinsel, die in den Atlantik hineinragt. An der langen, zerklüfteten Küste finden sich zahlreiche Badeorte wie das schicke Dinar und das von Mauern umgebene Saint-Malo, das auf Felsen im Ärmelkanal erbaut wurde. Die Côte de Granit Rose ist für ihren ungewöhnlichen, rötlichen Sand und Felsen in der gleichen Farbe berühmt. Auch die zahlreichen prähistorischen Menhire – eine Art von Megalithen – der Bretagne sind berühmt.

Grandiose Landschaften, unverbrauchte Natur und eine lebendige Kultur sind die drei wichtigsten Höhepunkte der Region. Entlang der Küstenlinie lohnt nahezu jedes Sträßlein eine Erkundung, führt es einen doch zu herrlichen Stränden und atemberaubenden Felsformationen. Die Städte und Dörfer an der Küste haben sich dem Tourismus zugewandt, im Hinterland, in der Kornkammer Frankreichs, gibt es noch viel Ursprünglichkeit zu entdecken. Sehenswerte Städte gibt es viele. Eine davon ist sicherlich Pont Aven. Dieser kleine Mühlen-Ort schmiegt sich idyllisch in die grüne Flussmündung des gleichnamigen Flusses Aven.

Berühmt geworden ist er vor allem, weil Paul Gauguin hier im 19. Jahrhundert dreimal die Sommermonate verbrachte und viele seiner berühmtesten Werke genau hier entstanden. Beim Schlendern durch den Ort und über die Brücken kann man sich lebhaft vorstellen, wie die Poesie dieser Landschaften Künstler damals und heute begeistern. Es ist schwer zu sagen, welches die wohl schönste Stadt in der Bretagne ist – sicher ist, dass mein nächster Halt zu einem der schönsten und sicher typischsten Plätze der Bretagne zählt. Concarneau ist ein Juwel von einer Stadt, deren Altstadt wie eine Halbinsel im Meer liegt und die von Festungsmauern umgeben ist. Dieser Stadt kann man schwerlich widerstehen. Die befestigte Stadt ist einer der am häufigsten besichtigten Orte der Bretagne. Im Sommer sollte man sie am besten am Morgen besichtigen. Von diesem schönen Städtchen ist es nicht weit zu meiner nächsten Station: Quimper. Hier möchte ich zwei Tage verweilen und – gepäckbefreit – weiter durch die Bretagne reisen. In Quimper ist es ein wahres Vergnügen, durch die Gassen der Stadt zu schlendern. Fachwerk- und Erkerhäuser neigen sich zu den Gässchen mit den klingenden Namen, auf die auch die Turmspitzen der Kathedrale Saint-Corentin verweisen.

Quimper ist ja für viele Dinge ein Geheimtipp in der Bretagne. Heute weiß aber fast jeder Tourist, dass man die besten Galettes in Quimper bekommt. Das ist also kein Geheimtipp mehr. Und in der Tat – in der Stadt wimmelt es nur so vor feinsten Restaurants, die die bretonische Spezialität anbieten. Ein Galette (bretonisch Krampouezhenn) ist ein aus der Bretagne stammender Buchweizenpfannkuchen. Er ist die herzhafte Variante der im deutschen Sprachraum bekannteren Crêpe. Für alle süßen Crêpes verwendet man Weizenmehl (blé oder froment) und für alle herzhaften Crêpes nimmt man Buchweizenmehl (sarrasin oder blé noir). Dann heißen sie nicht mehr Crêpes, sondern Galettes. Traditionell besteht der Teig nur aus Buchweizenmehl, Salz und Wasser. Dadurch erhält er eine graue Farbe. In manchen abgewandelten Rezepten kommen Eier, Milch, Honig oder etwas Öl in den Teig. Außerdem wird der Geschmack teilweise mit Weizenmehl im Verhältnis 1:10 bis 1:2 zum Buchweizenmehl abgerundet. Im Departement Finistère, ganz im Nordwesten der Bretagne spricht man jedoch in der Regel nicht von Galettes, sondern von “Crêpes au blé noir” oder “Crêpes au sarrasin”. Belegt werden die Galettes mit allem, was man sich so vorstellen kann. Von frischen Austern, über sämtliche Gemüsesorten, Käse, Schinken, Eier bis hin zu Fisch. Abgerundet wird so ein wunderbares Essen mit einem Cidre – der prickelnden Erfrischung für laue Sommernächte. Wenn Apfelsaft solange vergoren wird, bis sich Kohlensäure bildet, dann entsteht das bretonische Nationalgetränk Cidre. Der Obstwein verleiht dem Galette eine besondere Note – man kann ihn aber natürlich auch ohne Galettes genießen.

Am nächsten Tag steht eine der vielleicht schönsten Touren in der Bretagne auf dem Plan. Von Quimper aus ist es nur einen Katzensprung bis nach Locronan. Die bretonische Perle hat es mit ganz wunderbaren Argumenten geschafft, in den exklusiven Club der ‚Besonders malerischen Orte‘ der Bretagne und der „Schönsten Dörfer Frankreichs“ aufgenommen zu werden. Wenn man zu Fuß die bezaubernden Häuser am schönen Marktplatz mit seinem Brunnen in Augenschein nimmt, dann könnte man fast meinen die Zeit hier seit Jahrhunderten stillsteht.

Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Locronan immer wieder für historische Filme als Kulisse verwendete wird. Weiter geht es – immer ganz eng an der Küste entlang zu einer besonderen und gleichzeitig berühmtesten Landspitze in Europa. Der Pointe du Raz zeugt mit der riesigen zerklüfteten Steilküste (70 m hoch) von der Gewalt der Elemente. Das Panorama ist unvergleichlich: Man überblickt den Raz de Sein (Leuchttürme Phare de la Vieille und Phare de Tévennec, die Insel Sein in 8 km Entfernung, das Fahrwasser Chaussée de Sein). Im Hintergrund ragt der berühmte Leuchtturm Ar Men aus den Wellen, der bekannteste und am weitesten von der Küste entfernte Leuchtturm Frankreichs, dessen Bau 34 Jahre dauerte.
Zu beiden Seiten sieht man die Bucht von Audierne, die Baie des Trépassés („Bucht der Verstorbenen“), die Pointe du Van, die Bucht von Douarnenez und das Cap de la Chèvre, bewacht von der alten Statue Notre-Dame des naufragés („unsere liebe Frau der Schiffbrüchigen“) und dem Semaphoren.

In der Nähe der Pointe du Raz befinden sich Geschäfte und Restaurants. Das Besucherzentrum verfügt über einen Filmvorführsaal mit 100 Sitzen und einen Ausstellungsraum. Logisch, dass dem Zeitgeist folgend, die Franzosen diesen Flecken touristisch vermarkten. Als ich hier vor knapp 20 Jahren das erste Mal ankam, konnte man fast bis an die Klippen mit dem Auto heranfahren. Ein kleiner, klappriger Holzzaun verhinderte dann die Weiterfahrt. Heute wird man als Tourist am Pointe du Raz bereits weiträumig vor der grandiosen Landschaft abgefangen. Vollautomatische Parplatzleitsysteme steuern den Verkehr – und sogar als Motorradfahrer muss man hier 5 € (!) Parkplatzgebühr berappen. Tja – ich weiß nicht ob früher alles besser war – aber vieles war einfacher. Und dennoch, die Landspitze Pointe du Raz muss man gesehen haben.

Gepäckbefreit wedele ich am nächsten Tag von Quimper aus über kleinste Stäßchen entlang der Küste zu den großen Badeorten der Bretagne. Besonders beliebt sind hier sicher Beg-Meil und Bénodet. Auch wenn man in der Bretagne wohl nie für sich alleine ist, so kann man die großen Plätze mit viel Trubel und Menschenansammlungen gut meiden und einfach auf kleine Sträßchen und Wege ausweichen.

Unweit dieser beiden Touristenhochburgen treffe ich ganz abseits der Touristenströme in einem winzig kleinen Weiler Jaques. Er ist gebürtiger Bretone und hat jede menge Benzin im Blut. Schnell führen wir ein intensives Gespräch über die Möglichkeit mit 135 PS auf zwei Rädern oder mit 24 PS auf vier Rädern zu reisen. Mein Motorrad ist fast brandneu – der alte Renault von Jaques ist Baujahr 1954 und seit zwanzig Jahren funktioniert der Kilometerzähler nicht mehr. Jaques schaut ein bisschen neidisch auf meine WorlTravelEdition BMW GS1250 und mein augenzwinkernd, dass dieses Gefährt doch vielleicht ein bisschen zu schnell für ihn sei – er würde nämlich Vollgas fahren (müssen).

So führt mich dann der Weg weiter zu der Ortschaft Penmarc’h sowie dem Leuchtturm Phare d’Eckmühl. Der am 17. Oktober 1897 eingeweihte Phare d’Eckmühl ist mit 60 m Höhe einer der höchsten Leuchttürme Europas. Der Turm sichert eine der aufgrund vieler Felsen gefährlichsten Küsten Frankreichs. Und selbstverständlich muss ich als Fotograf versuchen, diesen Leuchtturm und mein Motorrad auf ein Bild zu bannen. Gar nicht so leicht diese Aufgabe. Also zirkele ich recht leichtfüßig das ca. 260 Kilogramm schwere Fahrzeug auf einen Gehsteig unmittelbar in der Nähe des Leuchtturms. Dann habe ich das Bild gemacht, schwinge mich wieder auf das Moped - starte den Motor des Boliden und möchte mich mit dem linken Fuß noch einmal vom Boden abdrücken und stelle dann fest, dass das Moped auf dem Bürgersteig stand und mein linker Fuß ins Leere tritt. Der Bolide schwankt gefährlich nach links und ab ca. 20% Schräglage kann man 260 Kilo Moped nicht mehr halten und fliege mit dem Moped aus dem Stand auf die Straße... Soweit so peinlich. Sofort kommen zwei freundliche Franzosen um sich zu erkundigen, ob alles in Ordnung ist, was ich bejahe... Natürlich bin ich adrenalindurchflutet und erst nach einigen Sekunden höre ich eine Stimme aus dem Motorrad. Eine deutsche Stimme fragt mich, ob alles in Ordnung sei, ob eine Ambulanz, Notarzt, Abschleppdienst informieren müsse. Ziemlich hektisch verneine ich alles. Um das ganze abzukürzen. Das Moped verfügt über einen SOS-Notruf. Und sobald das Moped auf der Seite liegt, wird der Notruf aktiviert und eine Zentrale in Deutschland meldet sich, um sofort Hilfe zu leisten. Selbstverständlich ist klar, dass die Koordinaten des umgefallenen Mopeds auch sofort übermittelt werden. Was sich jetzt wohl die Datenschützer der Nation hierbei denken...? Das ist mir ziemlich egal - ich finde diese Funktion ziemlich klasse und wusste gar nicht, dass das Moped so etwas feines hat. Klasse. Blöd war nur, dass ich den Notruf nicht manuell abgebrochen habe, was leicht möglich gewesen wäre. Aber irgendwie beeindruckt es mich immer sehr, wenn ein Moped auf dem Boden liegt. Da gehört es einfach nicht hin. Und was auch klasse ist - am Moped ist nix kaputt gegangen. Aufgrund der Stützbügel sind nicht einmal Kratzer am Boliden. Wieder einmal DANKE Touratech für das durchdachte Konzept der Sturzbügel, die sich genau in solchen Momenten bezahlt machen.

Um wirklich einmal um die Landesgrenze von Frankreich zu fahren, muss ich mal wieder „Strecke machen“. Man könnte in diesem Teil der Bretagne sicher noch wochenlang verweilen und man würde immer wieder neue Sträßchen, feine Kneipen und Restaurants finden. Meine Fahrt geht weiter über das
Cap de la Chèvre, den Point de Pen Hir sowie Pointe des Espagnols. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick auf die unweit entfernt liegende Hafenstadt Brest, meinem heutigen Tagesziel.

Brest ist eine Hafenstadt in der Bretagne im Nordwesten Frankreichs, die durch den Fluss Penfeld zweigeteilt ist. Sie ist für ihre reiche Schifffahrtsgeschichte und ihren Marinestützpunkt bekannt. An der Mündung der Penfeld befindet sich das mittelalterliche Château de Brest mit dem nationalen Marinemuseum, das Blick auf den Hafen bietet. Brest, die zweitgrößte Verwaltungsstadt der Bretagne, gewinnt, je besser man sie kennt. Nach den Zerstörungen des zweiten Weltkriegs 1944 hat sich die Stadt wie ein neu beschriebenes Pergament neu erfunden.

Einen besonderen Augenschmaus und ein fahrerisches Highlight bietet die Weiterfahrt von Brest über Plougonvelin -zum Leuchtturm Phare de Saint-Mathieu. Dies ist das westliche Ende Frankreichs. Der Leuchtturm der Landspitze Saint-Mathieu - ein Ort der Geschichte und des Gedenkens - ist ein symbolträchtiges Monument für alle bretonischen Seeleute. Der Leuchtturm Saint-Mathieu ist seit November 2010 Nationaldenkmal. Ganz in der Nähe vom Leuchtturm befindet sich das Nationale Denkmal für die verstorbenen Seeleute. Entlang der Aberküste geht meine Fahrt über die „Route touristique Créac'h“ über Porspoder nach Morlaix. Diese bretonische Stadt schmiegt sich in eine von den Ausläufern der Monts d’Arrée umschlossene Bucht. Morlaix ist eine Stadt der Kunst und der Geschichte. Viele alte geschichtsträchtige Fachwerkhäuser säumen die Straßen dieser faszinierenden Stadt. Hier in Morlaix und nur hier findet man die sogenannten Maisons à Pondalez, die auch als Laternenhäuser bezeichnet werden: Sie wurden im 16. Jahrhundert von wohlhabenden Leinenhändlern errichtet. Die Erker der Fachwerkhäuser überragen die Gassen rund um die Place Allende. Sie eröffnen eine Reise in die Zeit der bretonischen Renaissance. Am eindrucksvollsten an Morlaix ist aber wahrscheinlich die große Steinbrücke. Das die Altstadt von Morlaix überragende Viadukt erstreckt sich über eine Länge von 292 Metern mit einer Höhe von 62 Metern. Seit über 150 Jahren ist dieses Kunstwerk ein Symbol der Stadt.

Die Bretagne hat keinen wirklichen Anfang und vor allem – sie nimmt nie ein Ende. Und dennoch – ich nähere mich nun mit großen schritten dem letzten Teil meiner Tour der de France – der Normandie.

 

 



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