Tour de France - Teil 5: Die Atlantikküste

Tour de France - Teil 5: Die Atlantikküste

Es sieht so aus, dass das Thema „Kurvenrasieren“ und Pässe hoch- und wieder hinunterzuschrauben ad acta gelegt werden kann. Nach den grandiosen On- und Offroadstrecken in den Westalpen sowie in den Pyrenäen folgen jetzt eher gemächlichere Strecken. Wobei – wer sagt denn, dass es nicht offroad weiter gehen kann…? Eine Möglichkeit hierzu bietet sich im Südwesten von Nouvelle-Aquitaine, im Département Landes. Bis ins 19. Jahrhundert war es eine flache Heidelandschaft, bevor Napoleon den Befehl der Aufforstung gab und es zum größten zusammenhängenden Waldgebiet Westeuropas machte. Viele Seebäder erstrecken sich entlang seiner Küste: ob Biscarrosse, Mimizan, Contis, Moliets, Seignosse, Hossegor oder Capreton, jede Station hat ihren eigenen Charme. Mein Tagesziel liegt heute in Bordeaux. Und so traversiere ich diese dünnbesiedelte Landschaft von den Pyrenäen aus kommend auf bolzengerade, mit dem Lineal angelegten Pisten.

Immer wieder kommen ganz kleine Dörfer, die die sehr eintönige Fahrt unterbrechen. Nach ca. 60 Kilometer, die auch auf solchen extrem staubigen Pisten nun gefahren bin, ca. 25441655 Schlaglöchern habe ich ausweichen müssen und bestimmt 27.6 Kilogramm Staub geschluckt, frage ich mich, ob Offroad wirklich so toll ist… Nur wenige Kilometer weiter erstreckt sich nämlich eine geteerte Straße in Richtung Bordeaux, die ein bequemeres Vorankommen verspricht. Also breche ich an dieser Stelle mein „Offroad-Abenteuer durch Les Landes“ ab und komme dann am späten Nachmittag in Bordeaux an.
Bordeaux, Zentrum der berühmten Weinbauregion, ist eine Hafenstadt an der Garonne im Südwesten Frankreichs. Bekannte Wahrzeichen der Stadt sind die gotische Kathedrale Saint-André, Bauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert sowie erstklassige Kunstmuseen wie das Musée des Beaux-Arts de Bordeaux. Entlang der gewundenen Flussufer erstrecken sich öffentliche Gärten. Ich kenne Bordeaux bereits seit über 30 Jahren und komme immer wieder in diese großartige Stadt. In den vergangenen Jahren hat sich die siebtgrößte Stadt Frankreichs zu einem wahren Juwel entwickelt. „Les Quais de Bordeaux“ – also das linke Garonne-Ufer ist ein Hingucker für nachhaltige Städteplanung par excellence. Schnell habe ich hier ein gemütliches Hotel gefunden, parke den Boliden in der Tiefgarage und begebe mich in das quirlige Leben. Ich staune nicht schlecht – auf der 4,5 Kilometer langen Promenade gibt es drei parallel verlaufende Abschnitte: Einen für Fußgänger, einen für Jogger und einen für Rad und Roller-Fahrer. Vor allem die E-Roller-Fahrer schießen mit hohen Geschwindigkeiten an einem vorbei. Hier, am Ufer der Garonne pulsiert das Leben – und genau das macht mich unbehaglich. In Biarritz und Bayonne gilt bereits ein obligatorisches Maskengebot – also das Tragen der Maske in der Innenstadt sowie in allen Gebäuden.

In Bordeaux sieht man hiervon noch nichts. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankitte und so ziehe ich mich aus diesem ungezwungenen Leben schnell zurück und suche wieder eher das Alleinsein. Apropos Alleinsein – eine gute Freundin, die meine Reise mitverfolgt, hat mich vor ein paar Tagen gefragt, ob ich nicht sehr einsam sei, auf meiner Tour de France. Es ist ein großer Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit. Es stimmt schon – ich bin die meiste Zeit in den vergangenen Tagen und Wochen alleine – aber nie einsam…
Der nächste Tag steht im Zeichen der „Silberküste“. Die Bezeichnung stammt von der besonderen Qualität des dort vorkommenden Sandes. Die Atlantikküste rund um Bordeaux ist an dieser Stelle sehr reich an Muscheln und Austern. Der Abrieb und Reste der Schalen dieser Schalentiere vermengten sich im Laufe der Jahrtausende mit dem Sand. Infolgedessen glitzert bei einem bestimmten Lichteinfall in den Abendstunden der Sand in der Brandung wie Silberstaub.

Mein Ziel ist eine etwa 155 Quadratkilometer große Bucht die bei Feinschmeckern und Vogelkundlern sehr beliebt ist: Das Bassin d’Arcachon. In dieser Bucht wachsen und gedeihen viele Tonnen Austern und Muscheln und in der Mitte befindet sich eine Insel, auf der viele seltene Vögel überwintern. Vom Cap Ferret aus hat meinen perfekten Blick auf das gesamte Bassin und auf die gegenüberliegende größte Wanderdüne Europas. Die Düne von Pilat hat einen Nord-Süd-Verlauf und ist bis zu 110 Meter hoch, 500 Meter breit, etwa 2,7 Kilometer lang (geschätztes Volumen 60 Millionen Kubikmeter) und liegt an der Meeresöffnung des Bassin d’Arcachon.
Bordeaux ist das größte Weinbaugebiet Frankreichs mit geschützter Herkunftsbezeichnung. Nichts liegt also näher, als vom Bassin d’Arcachon aus die bekannten Weingüter anzusteuern. Einmal mehr bin ich sehr froh, mit vor der Reise das neue Garmin ZUMO XT Navigationsgerät gekauft zu haben.

Da ich grundsätzlich auf meinen Reisen ein Laptop mit dabeihabe, schaue ich immer schon abends, wo die Fahrt am nächsten Tag hingehen soll. Das mache ich prinzipiell mit der Online-Plattform KURVIGER.DE. Mit ein paar schnellen Mausklicks werden dann wunderbare Routen erstellt, die weitab von touristischen Strömungen liegen. Per Mausklick wird dann eine GPX-Datei erstellt, die sich genauso einzueins in das Navi verschieben lässt. Und – welch Wunder der Technik – ZACK ist ein neuer Track auf dem Navi, den man dann am nächsten Tag ganz genüsslich abfahren kann. Wirklich edel so eine Navigation. Früher musste man für diesen Vorgang immer zwei verschiedene Software-Produkte
verwenden, die nicht wirklich intuitiv waren. Heute macht das Planen der Route am Rechner richtig viel Spaß – Vorfreude ist schließlich die schönste Freude auf den bevorstehenden Fahrspaß. Das allerbeste ist der robuste Halter von Touratech, der das Navi bereits auf den vielen Offroad-Kilometern in den Westalpen und in den Pyrenäen sicher umfasst hat. Ein Klick – und das Navi sitzt wie angegossen in der robusten und abschließbaren Halterung.
Aber zurück zu den Weinschlössen. Ich möchte mir noch ein paar dieser legendären Orte anschauen. Das Weinbaugebiet Bordelais besticht durch seine Vielfalt: Man findet hier wunderschöne historische Schlossgüter, moderne Weinlager und Winzer, die sich freuen, ihre Liebe zum Wein weiterzugeben. Mehr als 90 % der Produktion des Bordelais sind Rotweine. An der Spitze steht die elegante Rebsorte Merlot, der Star des rechten Gironde-Ufers (Pomerol, Saint-Emilion). Die Rebsorte Cabernet Sauvignon verleiht den am linken Flussufer gekelterten Weinen (Médoc, Graves) Kraft und Fruchtigkeit. Der Cabernet Franc rundet die Assemblage mit seiner kräftigen Farbe und intensiven Aromen ab. Haut-Brion, Latour, Margaux, Mouton-Rothschild, Pétrus, Yquem - diese Namen sind in aller Munde.

Große Weine wie diese machen aber nur 5 % der Produktion des Weinbaugebiets aus! Die meisten Bordeauxweine sind sehr erschwinglich. Und was wirklich eine Geschmackexplosion besonderer Güte ist, verrate ich gerne. Zu einem Bordeaux-Wein gehört unbedingt eine süße Köstlichkeit: Der Cannelé, der kleine weiche karamellisierte Kuchen, ist eine Spezialität aus Bordeaux und ist eng mit dem Ausbau von Wein verbunden! Bei einer Etappe der Weinbereitung, der Schönung, wird Eiweiß in die Fässer gegeben, um die edlen Tropfen zu stabilisieren. Früher wurde das nicht verwendete Eigelb für den Teig der Cannelés verwendet! Und wenn so ein Cannelé frisch aus dem Ofen kommt, dann schmeckt er sogar ohne Wein…

Am nächsten Tag verlasse ich Bordeaux. Mein Fahrziel ist heute Rochefort. Um dort hin zu gelangen wähle ich bei Bayon sur Gironde die Corniche de Gironde. Dieses malerische Sträßchen entlang der Garonne schlängelt sich eng am Flussverlauf entlang. Es ist unglaublich, wie schwierig das Vorankommen ist.

Überall befinden sich kleine Cafés die mit betörenden Croissant-Düften und feinstem Kaffee-Aroma eine Weiterfahrt fast unmöglich machen. Hier könnte man fast meinen, dass die Zeit tatsächlich stehen geblieben ist. Am späten Nachmittag nähere ich mich dann der Stadt Rochefort die sich zahlreiche Beweise ihrer Seevergangenheit bewahrt.
Die Schwebefähre Rochefort (franz.: Pont transbordeur de Rochefort) ging im Jahr 1900 in Betrieb und ist das Werk des französischen Ingenieurs Ferdinand Arnodin. Seit dem Jahr 1976 ist das Bauwerk als „Monument historique“ anerkannt. Diese Schwebefähre ist ein Ingenieurbauwerk, das die beiden Ufer der Charente zwischen Rochefort und Échillais miteinander verbindet, ohne den Schiffsverkehr zum Marinearsenal und dem Hafen von Rochefort zu behindern. Sie ist die letzte ihrer Art in Frankreich.
Auf jeder Seite der Charente befinden sich jeweils zwei stählerne Pylone von 68 m Höhe. Ein 175 m langer Brückenträger verbindet die Stützen in 50 m Höhe über dem Hochwasserstand. Eine von diesem Brückenträger abgehängte Gondel ermöglicht den Fahrgästen von einem Ufer an das andere zu gelangen.
Unweit von Rochefort befindet sich die Île d’Oléron. Sie liegt an der französischen Westküste am Atlantik bzw. am Golf von Biskaya nördlich der Gironde-Mündung. Oléron und die Nachbarinsel Île de Ré schließen mitsamt dem Festland den Pertuis d’Antioche ein, einen Meeresabschnitt, der als Paradies für Segler gilt. Sein südlicher Bereich ist zum großen Teil verschlickt und bietet so ein ideales Terrain zur Muschel- und Austernzucht.

Aufgrund der guten Voraussetzungen und dem kontinuierlichen Zufluss von Süßwasser ist die Insel zu einer der bedeutendsten Regionen der Austernzucht in Europa geworden. Die Insel ist 34 km lang und an der breitesten Stelle 12 km breit. Sie ist – lässt man die Überseedepartements außer Betracht – mit einer Grundfläche von 175 km² nach Korsika die zweitgrößte französische Insel. Besonders bemerkenswert sind die vielen kleinen Fischerdörfer, die ihre Ursprünglichkeit haben bewahren können.
Weiter geht die Tour de France immer entlang der Atlantikküste nach Les Sables d’Olonne. Diese Stadt ist eine Touristenhochburg, wie sie im Buche steht. Entlang der drei Kilometer langen Bucht gibt es jede Hotel-Kategorie sowie jedes Freizeitangebot, dass man sich nur wünschen kann. Beim Passieren der Strandpromenade denke ich nur: Wem es gefällt, dem gefällt es hier. Mir gefällt so etwas gar nicht – so lasse ich noch einmal kurz die 136 PS an meiner GS am Kardan ziehen und mache mich aus dem Staub. Mein Interesse gilt einer besonderen Insel, nicht weit Les Sables d’Olonne.
Die Île de Noirmoutier ist eine sehr bemerkenswerte französische Atlantikinsel, die zur Region Pays de la Loire in Westfrankreich gehört, südlich der Loiremündung nahe Fromentine liegt und knapp 10.000 Bewohner hat. Eine geografische Besonderheit der 48,8 km² großen und 20 Kilometer langgestreckten Gezeiteninsel ist die Tatsache, dass ein Großteil ihrer Fläche unter dem Meeresspiegel liegt. Sie ist ziemlich flach, hat aber im Norden eine Felsenküste. Bei Niedrigwasser kann die Insel zu Fuß oder mit dem Auto, Fahrrad, Motorrad erreicht werden. Die 4½ Kilometer lange Pflasterstraße „Passage du Gois“, an deren Rändern in der Saison Muscheln gesucht werden, ist eine Touristenattraktion. Warnschilder geben die Zeiten an, zu denen sie passierbar ist.

Außerdem befinden sich am Straßenrand in dichten Abständen Rettungs- bzw. Aussichtstürme, von denen aus der Gegend betrachtet werden kann. Bei Flut ist der „Gois“, wie ihn die Einheimischen nur kurz nennen absolut nicht passierbar. Der Tidenhub beträgt immerhin 3,5 Meter. Das bedeutet, die Straße ist vollständig bei einer normalen Flut mit 3,50 Meter Höhe an Wasser überflutet. Bei einer Springflut können es leicht über 4,50 Meter Wasserhöhe werden. Nicht wenige touristische Kraftfahrer haben ihr Heiliges Blechle bereits in den Fluten des Gois versenkt, weil sie schlicht die Geschwindigkeit des Wassers unterschätzen. Bereits die Anfahrt zum Gois gestaltet sich als schwierig. Ich hatte wohl nicht als einziger die Idee, diese Passage zu benutzen. Eng an eng stauen sich die Autos. Zum Glück kann ich mich mit dem Moped zwischen den vielen Wohnmobilen und Autos hindurchschlängeln und komme gut voran. Auf der Île de Noirmoutier ist das Thema Austern allgegenwärtig. Im Hafen spricht mich ein Austernzüchter auf mein Moped an. Er erklärt mir, dass er früher auch gerne Motorrad gefahren sei – das leben als Austernzüchter sei aber sehr arbeitsam, so dass er das Moped irgendwann verkauft hat und seither nicht mehr fährt. Im Gespräch wird aber schnell auch klar, dass seine große Leidenschaft die Austern gilt. Mit einem Augenzwinkern erklärt er mir, dass die Touristen ja grundsätzlich die Austern falsch essen würden. Zu eine Auster gehört nämlich außer einem kleinen Stück Baguette und einem trockenen Weißwein GAR NICHTS. Er wundert sich immer, wenn die Touristen massenhaft Zitrone oder andere Gewürze über die Austern träufeln. Das verfälscht ja total den Geschmack. Und obwohl ich wirklich kein Freund von Austern bin, lädt er mich auf eine kleine Degustation ein und erklärt mir auch, wie man fachmännisch eine Auster öffnet. Also – man hält die beiden frisch geöffneten Hälften leicht schräg aneinander, sodass das Salzwasser abfließen kann. Dann löst man das Austernfleisch vom Strunk und lässt noch einmal das Salzwasser abtropfen. Dann schiebt man das Fleisch nach ganz vorne auf der Austernschale und schlürft das Fleisch in den Mund. Dort soll es für ein paar Sekunden auf der Zunge verbleiben bevor man es vorsichtig zerkaut und das nussige Aroma der Auster genießt. Sorry – bei aller Liebe – für mich ist das nichts. Ich versuche mir das nicht anmerken zu lassen bedanke mich artig für die Degustation und die Informationen schiebe mir hinter vorgehaltener Hand einen Kaugummi in den Mund und bin froh, dass der Geschmack bald vorbei ist… Aber eines habe ich heute gelernt – Austern zu züchten ist eine hohe Kunst!
Mei heutiges Tagesziel ist Nantes und somit ein weiterer strategischer Punkt bei meiner Tour de France. Nantes ist eine Stadt im Westen Frankreichs, die in der östlichen Bretagne an der Loire liegt und auf eine lange Tradition als Hafen und Industriezentrum zurückblicken kann.

Das mittelalterliche Schloss Nantes war einst Sitz der Herzöge der Bretagne. Somit beginnt ab morgen ein neuer Streckenabschnitt der Tour de France – bienvenu en Bretagne – herzlich willkommen in der Bretagne.



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